Dienstag, Februar 27, 2007

Epistemologie und Politik

Die Zeitschrift Navigator (heute: The New Individualist), herausgegeben vom The Atlas Society, ehrt mit mehreren Beiträgen der Dezember-Ausgabe 2004 die Philosophin und Schriftstellerin Ayn Rand. Vertreten ist auch David Kelley mit dem Beitrag Epistemology and Politics: Ayn Rand's Cultural Commentary.

David Kelley beschreibt die Qualitäten von Ayn Rand als aufmerksame Beobachterin von Politik und Kultur. Nachdem sie ihren letzten Roman Atlas Shrugged geschrieben hatte, schrieb sie Dutzende von Kommentaren über Menschen, Ereignisse und aktuelle Trends, vor allem in ihren Zeitschriften The Objectivist und The Ayn Rand Newsletter. Diese Kommentare wirkten so, als habe Ayn Rand in die Zukunft sehen können und Dinge schreiben können, die uns heute umgeben, schreibt Kelley. In ihrem Essay Racism etwa beschreibt Rand den Umschwung der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung von einer Bewegung, die Gerechtigkeit für Individuen bewirken will, zu einer Bewegung, die für rassische Privilegien kämft. Ayn Rand beschrieb dies zu einer Zeit, als noch niemand den Begriff "affirmative action" als Kodewort für rassische Quoten kannte. Frühhzeitig beschäfigte sich Rand auch mit der aufkommenden Umweltbewegung, die sie in ihrem Aufsatz The Anti-Industrial Revolution von 1971 als Fortsetzung der anti-kapitalistischen Bewegung ansah, zu einem Zeitpunkt, wo sich der klassische Sozialismus als Schwindel herausgestellt hatte. Besonders stellt David Kelley aber Rands Aufsatz Faith and Force: The Destroyers of the Modern World (1960) heraus, wo sie die Beziehung zwischen Epistemologie, Ethik und Politik untersuchte. Rand sah Vernunft und Freiheit als unzertrennbare Einheit auf der einen Seite, und Glauben und Gewalt auf der anderen Seite als ihre antagonistischen Gegenspieler. Jede Periode der Geschichte, die von Mystizismus bestimmt war, war auch eine Periode des Etatismus, der Diktatur und der Tyrannei. Andererseits geben Gesellschaften, die die Vernunft schätzen -eine Fähigkeit, die Individuen anwenden-, den Menschen die Möglichkeit, ihren Geist zu nutzen und auch entsprechend der von ihnen getroffenen Entscheidungen zu handeln. Und Vernunft sei ein objektives Mittel des Wissens, schreibt David Kelley, das sich auf Beobachtungen und Beweise stützt, mit der beobachtbaren Realität als dem letztendlichen Bezugspunkt. Und wenn sich Menschen auf die Vernunft verlassen, dann sind sie in der Lage, zu interagieren und Konflikte durch Diskussionen Überzeugung und eine offene Debatte zu lösen, d. h. freiwillige Mittel. "Aber wenn Menschen behaupten, dass sie übernatürliche Mittel des Wissens verfügen, dann sind Überzeugung, Kommunikation oder Verstehen nicht (mehr möglich)." Derartig erworbenes Wissen ist einer rationalen Überprüfung nicht mehr zugänglich und läßt nur den Weg der Gewalt als Methode der "Überzeugung" offen. Ayn Rand verweist auf das Mittelalter als einer Periode des Mystizismus, die einherging mit einem Mangel an Freiheit, in völligem Kontrast zum klassischen Griechenland, das eine Periode der Vernunft und Freiheit war.

Die Macht der Vernunft, die die Menschen im Westen bis in das 19. Jahrhundert zu neuen Höchstleistungen in Kultur, Wissenschaft und Produktion verholfen hatte, verlor im 20. Jahrhundert ihre Kraft, weil die Menschen nicht bereit waren, die Moralität des Altruismus aufzugeben. Der Moralkodex des Altruismus, der nicht mit Wohlwollen oder Großzügigkeit verwechselt werden darf, drängt die Menschen allerdings in Richtung Mystizismus und Kollektivismus. Mystizismus einfach deshalb, weil "das Prinzip keinen Sinn macht." Es gebe keinen rationalen Grund, schreibt Kelley, zu behaupten, dass Selbstaufopferung zugunsten von anderen dem Verfolgen eines rationalen Selbstinteresses moralisch überlegen sei. Altruismus hängt letztendlich von nicht-rationalen "Begründungen" ab, von Mystizismus in irgendeiner Form, seien es Gebote von Gott, arbiträre Postulate über das größte Wohl der größten Anzahl von Menschen oder eine kantianische "Pflicht". Kollektivismus läßt sich als Konsequenz eines altruistisches Moralkodex ansehen, weil sich Altruisten die Frage stellen, warum altruistisches Verhalten nicht mit Gewalt erzwungen werden darf, wenn Selbstaufopferung ein moralisches Ideal ist. Dies geschah in kollektivistischen Staaten wie Nazi-Deutschland und der Sowjetunion. Auch in den USA, schreibt Kelley, ist der Altruismus eine "primäre kulturelle Ursache für das Wachstum des Staates, besonders des Wohlfahrtsstaates", allerdings wird in den USA der Einfluss des Altruismus gedämpft durch den Geist des Individualismus und durch ein politisches System, welches auf den Individualrechten basiert. Rand sah in der Sowjetunion die reinste Verkörperung der mystischen-altruistischen-kollektivistischen Achse. Sie sah allerdings in der Sowjetunion nicht nur eine Verwirklichung von Altruismus und Kollektivismus, was offensichtlich ist, sondern auch von Mystizismus, trotz der Behauptungen der Marxisten, sie seien Repräsentanten eines "wissenschaftlichen Sozialismus". David Kelley verweist darauf, dass der Begriff "Mystizismus" von Rand in einem sehr breiten Sinn verwendet wurde: er schließt alle Doktrinen ein, die die Wirksamkeit und den Absolutismus der Vernunft ablehnen. Zu diesen Gegnern der Vernunft gehören auch Relativisten und Subjektivisten, die die Validität der Vernunft leugnen oder die die Logik durch andere Methoden ersetzen, wie z. B. dem dialektischen Materialismus. Im 2. Weltkrieg, schreibt David Kelley, interpretierte Ayn Rand den Kampf zwischen den deutschen Nazis und den russischen Kommunisten als einen "Familienstreit": Sie waren beide Kollektivisten. "Der reale Kampf", fügt Kelley an, "war zwischen Individualismus und Kollektivismus in jeder Form, links oder rechts." Dies ist heute ein Gemeinplatz, aber Rand war sich dieser Tatsache von Anfang an bewusst: "Sie wusste es, weil sie hinter der politische Ebene auf die zugrunde liegenden Ethik der Aufopferung und die Epistemologie der Unvernunft sah." Ebenso hätte sie heute, schließt Kelley seinen Aufsatz, auf die gemeinsame Essenz des säkularen Kommunismus und des islamischen Fundamentalismus verwiesen.

Sonntag, Februar 18, 2007

Vernunft und Egoismus als Basis des Kapitalismus

Kapitalismus ist das System der Vernunft, des Egoismus und der Freiheit. Diese Reihenfolge ist nicht beliebig zusammengestellt, sondern sie beruht auf der Erkenntnis, dass Freiheit sich auf Vernunft und Egoismus gründet. Politische Freiheit erhebt sich dann, wenn Menschen akzeptieren, dass die Vernunft das Mittel ist, das Menschen befähigt in dieser Welt zu überleben und politische Freiheit erhebt sich dann, wenn Menschen akzeptieren, dass Menschen nach ihrem persönlichen Glück streben dürfen. Egoismus ist allerdings nicht gleichbedeutend mit der Umsetzung all dessen, was Menschen sich wünschen, sondern beschreibt einen Moralkodex, der das rationale Streben eines Menschen nach den Werten, die sein Leben unterstützen, als richtig anerkennt. Dass der Objektivismus diese Wahrheit so offen ausspricht, mag überraschend erscheinen, in einer Kultur, die das Aufgeben von Werten zugunsten von anderen Menschen mit einem Heiligenschein versieht. Aber Egoismus ist eine unübertreffliche Kraft für das Gute auf der Welt und er ist unzweifelhaft der einzige Moralkodex, der konsequent im Leben eines Menschen Anwendung finden kann, ganz im Gegensatz etwa zu einer altruistischen Moral, deren radikale Anwendung den eigenen Tod zur Folge hätte. Ayn Rand beantwortete die zentralen Fragen der Ethik, die Fragen nach den Unterschieden zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch auf eine neue revolutionäre Weise. Sie fragte danach, ob diese Begriffe nur willkürliche menschliche Erfindungen sind -zurückgehend auf Gott, die Gesellschaft oder den Einzelmenschen- oder ob es Fakten der Realität gibt, die eine objektive Grundlage dafür liefern.
Der Objektivismus ist die erste Philosophie, die das Verhältnis zwischen Leben und moralischen Werten definitert: "Ethik", schreibt Ayn Rand, "ist eine objektive, metaphysische Notwendigkeit des menschlichen Überlebens - nicht durch die Gnade des Übernatürlichen, der Nachbarschaft oder der eigenen Launen eines Menschen, sondern durch die Gnade der Realität und der Natur des Lebens."
Die objektivistische Ethik beginnt mit der fundamentalen Frage: Warum ist Ethik notwendig? Die Antwort auf die Frage ergibt sich aus der Tatsache, dass der Mensch ein lebender Organismus ist. Als solcher ist er der fortgesetzten Alternative von Leben oder Tod ausgesetzt. Dies ist die einzige fundamentale Alternative, die der Mensch (und alle anderen Lebewesen) ausgesetzt ist. Das Leben kann nur aufrechterhalten werden durch einen Prozess fortgesetzten Handelns, den das Lebewesen unternehmen muss, zum Beispiel durch die Beschaffung von Nahrung. Tiere und Pflanzen sind in der Lage, automatisch die Dinge zu tun, die notwendig sind, um ihre Existenz zu sichern. Bei Menschen verhält es sich anders, denn ihnen fehlt dieser Automatismus, der dafür sorgt, dass sie die richtigen Handlungen ausführen. Bevor ein Mensch handeln kann, muss er über sein Handeln nachgedacht haben, und um zu den richtigen Entscheidungen zu gelangen, benötigt er Kenntnisse über die Werte und Tugenden, die seinem Überleben dienlich sind.